Kyoto-suche

BIWA LIBRARY

kosui watari

湖水渡

Einführung

Am 13. Tag des 6. Monats im 10. Jahr der Tenshō-Zeit (am 2. Juli 1582) wurde AKECHI Mitsuhide, der höchster militärischer Befehlshaber in Japan werden wollte, von HASHIBA Hideyoshi in der Schlacht von Yamazaki geschlagen, nachdem er am 21. Juni seinen höchsten Vorgesetzten, den Oberbefehlshaber ODA Nobunaga im Tempel Honnōji in Kyoto ermordet hatte. Als Mitsuhide nach der Schlacht in sein Schloss von Sakamoto zurückkehren wollte, wurde er in Ogurusu umgebracht. Zu dieser Zeit hatte sein Schwiegersohn, Mitsutoshi, im Schloss Azuchi auf der Ostseite des Biwasees, den Auftrag, feindliche Truppen aus dem Osten abzuwehren. Historische Dokumente zeigen, dass Mitsutoshi, als er die Nachricht von der Niederlage in der Schlacht erfuhr (aber noch nichts vom Tode Mitsuhide‘s wusste), am 3. Juli das Schloss Azuchi verließ, um so schnell wie möglich in Sakamoto seinen Schwiegervater zu unterstützen. Als er am 4. Juli dort eintraf, wurde er mit dem General HORI Hidemasa und seinen Truppen konfrontiert, was ihm bestätigte, dass nun die Geschicke der Familie AKECHI besiegelt waren. Mitsutoshi übergab diesem berühmten Gegner ein Schwert, das ein Familienschatz der AKECHI war, und beging danach mit dem Rest der Familie Selbstmord.
Historiker kennen keine verlässlichen Dokumente der Geschichte von Mitutoshis „Ritt über den Biwasee“. Es handelt sich hier offensichtlich um eine heroische Legende, die zum ersten Mal in Kawasumi Taikōki (1615-1624) und dann auch in Ehon Taikōki (ed. 1797-1802) erzählt wird. Die biwa-Ballade beruht vor allem auf der letzteren Quelle.
Der „Ritt über den Biwasee“ ist eines der beliebtesten Stücke im Repertoire des chikuzen biwa. Die Geschichte findet sich auch im Repertoire des satsuma biwa, da es von besten Samurai-Tugenden berichtet. Nach den ersten vier Zeilen wird ein chinesisches Sprichwort zum Thema Loyalität zitiert, (das unserem heutigen Verständnis der Grenzen von Loyalität nicht mehr entspricht): „Wer nicht fragt nach Gut und Böse, gleicht dem guten Hund des bösen Kaisers Jie, der den Edlen Yao biss.“ Für Japaner, die gesinnungsmäßig die feudale Ideologie der Edo-Zeit akzeptierten, war dieses Sprichwort von Belang: Obwohl sein Schwiegervater als „Verräter“ galt, tat doch Mitsuhide das Richtige, da er erstens zur AKECHI Familie gehörte, und da zweitens Mitsuhide sein direkter Vorgesetzter war, dem er Gehorsam schuldete. Seinem „bösen Meister“ Mitsuhide fraglos gehorchend und ihn unterstützend, glich Mitsutoshi dem „Hund“ im chinesischen Sprichwort.
Eine besonders berührende Szene der Ballade ist der Schluss. Eine schreckliche Legende will es, dass Mitsutoshi, als er seine Familie umgebracht hatte und dann Selbstmord beging, das Blut, das aus seinem aufgeschlitzten Bauch quoll, benutzte um sein Abschiedsgedicht zu schreiben. Man darf dieses Detail aber nicht überbewerten, denn Ähnliches wurde auch von andern Samurai überliefert. Obwohl Details solcher Samurai-Glorifizierung zur Hand gewesen wären, fanden sie keinen Eingang in diesen Balladentext. An deren Stelle steht eine zu Herzen gehende Rede, die Mitutoshi an sein Pferd, Ōkage, richtet. Er rühmt das Pferd und bedankt sich bei ihm für seine Dienste. Auf einer Papierhülle für Räucherwerk dokumentiert er den „Ritt über den Biwasee“ mit starken großen Pinselstrichen. Dann entfernt er sich und hört nur noch das traurige Wiehern seines Pferdes, das zu spüren scheint, dass es nun von seinem Reiter endgültig verlassen wird.

Zusammenfassung

In den Wirren der politischen Einigung Japans im späten 17. Jahrhundert gab es einen Wendepunkt, als ODA Nobanaga, der erste der drei großen Oberbefehlshaber, im Tempel Honnōji in Kyoto 1582 ermordet wurde. Der Angreifer war AKECHI Mitsuhide, der hoffte, mit der Beseitigung von Nobunaga könnte er selber Oberbefehlshaber werden. Doch schon kurz danach stellte sich ihm HASHIBA Hideyoshi, der dann effektiv der zweite Oberbefehlshaber werden sollte, in Yamazaki mit einer großen Armee entgegen und besiegte ihn.
Mitsuhides Schwiegersohn, Mitsutoshi, hatte die Aufgabe, auf der Ostseite des Biwasees im Schloss Azuchi, die Festung zu halten. Als Mitsutoshi von der Niederlage in Yamazaki hörte, wollte er unbedingt seinem Herrn und Schwiegervater Mitsuhide helfen und machte sich unverzüglich auf, um nach Sakamoto, auf die Westseite des Biwasees, zu gelangen.
Als er während seines Ritts mit seinen Männern nach Ōtsu gelangte, bot ihm der Gegner HORI Hidemasa mit einer großen Truppe Widerstand. Mitsuhide erkannte die Aussichtslosigkeit, kämpfte aber zunächst verbissen. Doch dann nützte er einen günstigen Augenblick, um sich der Übermacht der Feinde zu entziehen, indem er mit seinem Pferd, Ōkage, in den Biwasee hineinsprang und gleichsam eine Abkürzung nach Sakamoto nahm. Dieser gloriose Ritt durch über den See ist textlich und musikalisch ein Höhepunkt der Ballade.
Als Mitsutoshi das Ufer von Karasaki erreichte, lobte er in einer Rede sein Pferd für dessen Kraft und Mut. Aber es war ihm bewusst, dass nun das Ende der AKECHI-Familie gekommen war, und dass er sich das Leben werde nehmen müssen. Mitsutoshi zog eine Papierhülle für Räucherwerk hervor und dokumentierte darauf mit großen Pinselstrichen seinen herrlichen Ritt über den See. Dann verabschiedete er sich von dem traurig wiehernden Pferd und ging nach Sakamoto, wo er sich und seiner Familie das Ende bereitete (was aber in der Ballade nicht mehr erzählt wird).

Text

  • 1. As the perceptive bird chooses the woods where it nests, Wie der schlaue Vogel, der (zum Brüten) seinen Hain sich wählt,

    Sore ryōkin wa hayashi o erami 夫れ良禽は林を撰み

  • 2. the wise man chooses the master he serves. sucht sich der kluge Samurai den Meister, dem er dienen will –

    kenja wa kimi o eramu to ka ya 賢者は君を撰むとかや

  • 3. But once having committed to service mit ganzem Herzen Einsatz leisten,

    saredo ittan mi o yurushi されど一旦身を許し

  • 4. and fully accepting the master’s rule ist der wahre Dienst des Ritters.

    shū to tanomishi hito no tame 主と頼みし人の為め

  • 5. – good or bad – one has sacrificed his life. Wer nicht fragt nach Gut und Böse,

    zennaku tomo ni mi o sutete 善悪共に身を棄てゝ

  • 6. Like the dog of King Jie who barked at King Yao. gleicht dem guten Hund des bösen Kaisers Jie, der den edlen Yao biss.

    Kekku ga Gyō ni hoyuru naru 桀狗が尭に吠ゆるなる

  • 7. Loyalty, as well as the temperament to carry arms, Loyale Krieger kennt man daran,

    chūgi o nasu mo mononofu no 忠義をなすも武士の

  • 8. is what distinguishes the warrior. wie sie Pfeil und Bogen führen.

    yumiya no iji to shirarekeri 弓矢の意地と知られけり

  • 9. So listen: AKECHI Hyūganokami Mitsuhide Lasst uns jetzt von AKECHI Hyūganokami Mitsuhide hören,

    koko ni AKECHI Hyūganokami Mitsuhide wa 茲に明智日向守光秀は

  • 10. was in the battle of Mount Tennō der am Berge Tennō in der Schlacht

    Tennōzan no issen ni 天王山の一戦に

  • 11. and with his men, soon destroyed, mit seinen Mannen ganz entschieden unterlag.

    mikata morokumo uchiyabure 味方脆くも打敗れ

  • 12. his troops scattered in all directions, In alle Winde flohen seine Truppen,

    dōzei yomo ni sanransu to 同勢四方に散乱すと

  • 13. and their defeat soon known throughout the land. was niemandem verborgen blieb.

    haya kakurenaku kikoekeri はや隠れなく聞えけり

  • 14. The Azuchi Castle’s deputy lord, Das Schloss von Azuchi,

    Azuchi no shiro no rusui naru 安土の城の留守居なる

  • 15. AKECHI Samanosuke Mitsutoshi, war in den Händen von AKECHI Samanosuke Mitsutoshi,

    AKECHI Samanosuke Mitsutoshi wa 明智左馬介光俊は

  • 16. uneasy over his lord’s whereabouts, der sich jetzt um seinen Herrn viel Sorgen machte.

    kimi no sendo no obotsuka naku 君の先途の覚束なく

  • 17. hoped to ascertain the state of the battle, Eifrig hielt er Ausschau nach dem Feind

    ikusa no yōsu minmono to 軍の様子見んものと

  • 18. and rushed to the Seta bridge. und eilte fort in Richtung Seta-Brücke,

    isogeba mawaru Seta no hashi 急げば廻る瀬田の橋

  • 19. No enemies were seen as he passed through the fields of Awazu, preschte durch das Feld von Awazu

    teki ni Awazu no hara koete 敵に粟津の原越へて

  • 20. and he hastened to the shores of Uchide no hama. und hastete zum Strand von Uchide no hama.

    momi ni monde zo Uchide no hama 揉みに揉んでぞ打出の浜

  • 21. As he was arriving at the lodge of Ōtsu, Angekommen bei den Otsu-Reiseunterkünften,

    Ōtsu no shuku ni kakaru koro 大津の宿にかゝる頃

  • 22. he suddenly encountered the main body of the enemy forces: traf er – nein doch! – auf die Hauptarmee

    hatta to deaishi taigun wa ハッタと出逢ひし大軍は

  • 23. HORI Kyūtarō Hidemasa with 10,000 horsemen. von HORI Kyūtarō Hidemasa mit zehntausend Reitern.

    HORI Kyūtarō Hidemasa ga ichimanki 堀久太郎秀政が一万騎

  • 24. “Ah, is it Hidemasa who has arrived? “Ist das nicht Hidemasa, der mir da entgegenkommt!

    yaore Hidemasa kitarishi ka やおれ秀政来りしか

  • 25. Having seized Mount Tennō Du hast am Berge Tennō klar die Schlacht für dich entschieden,

    Tennōzan o torikirishi 天王山を取り切りし

  • 26. your abilities with tactics make you the ideal foe. bist ein Gegner von Format.

    buryaku wa sasuga no teki naru zo 武略は流石の敵なるぞ

  • 27. To engage with you will be a lifelong honor Mit dir zu kämpfen bringt mir größten Ruhm,

    iza Mitsutoshi ga ichigo no nagori いざ光俊が一期の名残

  • 28. and a tale for the coming generations.” der nie vergehen wird. Drum also los, ihr Männer!“

    katari tsugasen monodomo to 語りつがせん者共と

  • 29. He gathered the courage of his men rief er seinen Leuten zu.

    mikata no yūki hagemashite 味方の勇気励まして

  • 30. and attacked in sudden desperate ferocity Die griffen nun aufs Heftigste die Feinde an und kämpften

    dotto bakari ni tsukikakari どっとばかりに突きかゝり

  • 31. engaging and retreating, thrusting and cutting, schlagend, stoßend, hauend, stechend.

    tomoe manji ni kirinabike 巴卍に切り靡け

  • 32. rushing to the East, and running to the West, Als sie ostwärts stürmten, westwärts rannten,

    nishi ni higashi ni shutsubotsushi 西に東に出没し

  • 33. moving with demonic speed. drehten sie sich, dass gar Teufel staunten.

    kijin fushigi no hataraki ni 鬼神不思議の働きに

  • 34. Hidemasa’s troops were at a loss, Selbst der riesigen Armee war das zu viel,

    sashimo no taigun moteamashi さしもの大軍もてあまし

  • 35. and they wavered. die Truppen machten sich bereit zum Rückzug.

    ukiashi tachishi shioai o 浮足立ちし潮合を

  • 36. In a flash, Mitsutoshi saw his opportunity. Da erkannte Mitsutoshi plötzlich eine Chance,

    koko to mitetoru ikkokyū こゝと見て取る一呼吸

  • 37. This is where I escape! flugs dem Feinde zu entwischen.

    satto bakari ni norinukete サッとばかりに乗り脱けて

  • 38. Taking a breath, he shouted. Jetzt, ein tiefer Atemzug, ein Schrei

    hitoiki nomishi kakegoe ni 一と息呑みし掛声に

  • 39. His horse immediately flew, und wie der Blitz – als würd‘ er fliegen –

    uma wa tachimachi tobu gotoku 馬は忽ち飛ぶ如く

  • 40. and into the waters of the famed Ōmi Lake stürzt er in den wohlbekannten See von Ōmi,

    na ni ou Ōmi no mizuumi ni 名に負ふ近江の湖に

  • 41. they leapt with a huge splash. dass es spritzt – mit einem Riesensprung!

    zanbu to bakari odoriiru ザンブとばかり躍り入る

  • 42. The excellence of the horse was widely known, Das Pferd gilt überall als ausgezeichnet,

    uma wa tenka no ichimotsu nari 馬は天下の逸物なり

  • 43. and its rider recognized for his skills over many years und der Reiter ist seit langem schon Legende.

    norite wa moto yori kokon no tassha 騎手は固より古今の達者

  • 44. Straight as the Chinese character for “one” they swam. Schnurgerade, wie die „Eins“ geschrieben, reitet er drauflos,

    maichimonji ni norikiru sama wa 真一文字に乗切る様は

  • 45. Is this a man or is this a spirit? – ein Gott – ein Mensch, wer soll das wissen.

    kami ka hito ka to miru bakari 神か人かと見るばかり

  • 46. The waters mingled with the heavens. Ist es Wasser oder Himmel – Himmel oder Wasser –

    mizu ya sora sora ya mizu 水や空空や水

  • 47. and as far as could be seen, nothing but blue! blau nur ist’s, so weit das Auge reicht.

    manako no kagiri ippeki no 眼の限り一碧の

  • 48. As Ōkage, the horse, kicked up waves, Ōkage, das Pferd, durchmisst die Wellenflut.

    nami o ketatsuru Ōkage ni 波を蹴立つる大鹿毛に

  • 49. Samanosuke, in his red-threaded armor, Samanosuke in seinem roten Schuppenpanzer

    hiodoshi kitaru Samanosuke 緋縅着たる左馬介

  • 50. was resplendent in his valor ist ein Bild grandiosen Rittertums.

    hitokiwa me ni tatsu mushaburi ni 一と際目に立つ武者振に

  • 51. The unparalleled painter Eitoku Denn Eitoku, der große Maler hatte ihm

    musō no meijin Eitoku ga 無双の名人永徳が

  • 52. had painted with the utmost skill auf seine Rüstungsweste

    tansei komete egakitaru 丹精こめて画きたる

  • 53. a dragon on his battle coat, mit dem Tuschepinsel herrlich einen Drachen hingemalt.

    sumie no ryō no jinbaori 墨絵の龍の陣羽織

  • 54. which fluttered in the winds from Mount Hiei. Vom Hiei-Berg herunter weht ein starker Wind,

    Hieiyama oroshi ni hirugaeshi 比叡山颪に翻へし

  • 55. With a gentle yet firm touch, bald ruhig und dann wieder heftig knallt er mit der Peitsche.

    arui wa kan ni mata kyū ni 或は緩に又急に

  • 56. he valiantly wielded his crop Ist das nicht ein Anblick – dieser Mut und diese Tapferkeit, unglaublich!

    agemuchi furuu isamashisa 揚鞭揮ふ勇ましさ

  • 57. When the horse tired, his rider lent his succor, Ist das Pferd erschöpft, hilft ihm der Reiter,

    uma tsukarureba hito tasuke 馬疲るれば人助け

  • 58. and when the man tired, he turned to his horse, ist der Reiter müde, kann er sich aufs Pferd verlassen.

    hito tsukarureba uma ni yori 人疲るれば馬に頼り

  • 59. as they crossed the wide waters of the lake Auf dem riesig weiten See,

    sashimo ni hiroki mizuumi o さしもに広き湖を

  • 60. afraid of nothing. da hat er keine Angst.

    koto to mo sezaru futekisa ni 事ともせざる不敵さに

  • 61. His pursuers were awed. Alle Augen der Verfolger haften an dem Reiter.

    otte no sei mo ki o torare 追手の勢も気を取られ

  • 62. As if bound in a spell, Wie benommen rufen sie:

    eiru ga gotoki kokochi shite 酔ひるが如き心地して

  • 63. all they could do was cry, “Look! Look!” „Das ist doch nicht zu fassen, nicht zu fassen!“

    areyo areyo to iu bakari あれよあれよと云ふばかり

  • 64. There was not one person who thought to shoot Niemand schießt mehr aus der Ferne

    tada hitosuji no tōya da ni たゞ一筋の遠矢だに

  • 65. an arrow from the distant shores. einen Pfeil auf ihn.

    ikaken hito mo nakarikeri 射かけん人もなかりけり

  • 66. Finally, Mitsutoshi reached Karasaki Bei Karasaki kann Mitsutoshi

    Mitsutoshi yagate Karasaki no 光俊やがて唐崎の

  • 67. where he landed on the shore. dann an den Strand gelangen.

    hama no konata ni uchiagari 浜の此方に打ち上り

  • 68. Letting the water run from his armor and the horse, Wasser rinnt ihm von der Rüstung,

    uma mononogu no mizu hashirase 馬物の具の水走らせ

  • 69. he caressed the mane of his beloved steed. während er die Mähne seines Pferdes streichelt.

    aiba no tategami nadeagete 愛馬の鬣撫で上げて

  • 70. “Listen, Ōkage! „Höre, Ōkage, mein Pferd,

    ika ni Ōkage uketamaware 如何に大鹿毛承はれ

  • 71. In the many years of my fame as a warrior, du hast mir während manchen Jahren meiner Ritterzeit

    Mitsutoshi tanen buyū no homare 光俊多年武勇の誉

  • 72. you were an honor. viel Ruhm gebracht.

    nakaba wa nanji ga isaoshi zo 半は汝が勲功ぞ

  • 73. That such a famous horse Ein weitherum bekanntes Pferd wie du

    kakaru meiba o Mitsutoshi ga かゝる名馬を光俊が

  • 74. should die with his owner, darf nicht mit Mitsutoshi sterben,

    inochi to tomo ni korosan wa 命と共に殺さんは

  • 75. I feel is too regrettable! traurig, allzu traurig wäre das.

    itoito oshiki kokochi zo suru いといと惜しき心地ぞする

  • 76. You should live longer in brilliance. Du sollst auf jeden Fall noch länger leben

    appare nanji wa nagaraete 天晴汝は長生へて

  • 77. Find a distinguished master, und den besten Meister finden,

    buyū sugureshi shū o tori 武勇勝れし主を取り

  • 78. go with him to the fiercest battlefield. der mit dir selbst durch die Hölle geht.

    shura no chimata o hase meguri 修羅の巷を走せめぐり

  • 79. People will say, ‘This could only be AKECHI’s horse „Dies Pferd gehörte AKECHI“,

    sasuga wa AKECHI ga uma nari to 流石は明智が馬なりと

  • 80. and my name as a warrior das werden viele Leute sagen,

    waga bumei o mo nochi no yo no 我が武名をも後の世の

  • 81. will remain as a tale of a warrior. und damit machst du mir viel Ehre.

    buhen no katari ni nokose kashi 武辺の語りに残せかし

  • 82. Do you understand this, Ōkage?” Ōkage, verstehst du?“

    yayo Ōkage yo kokoroeshika to やよ大鹿毛よ心得しかと

  • 83. He demanded. fragt er aufgewühlten Herzens,

    magokoro komete iikikase 真心こめて言ひ聞かせ

  • 84. He tied Ōkage to a pillar of the Jūō-Hall, während er das Pferd an einen Pfeiler bei der Jūō-Halle bindet.

    Jūōdō no hashira ni tsunagi 十王堂の柱につなぎ

  • 85. withdrew his writing case, Einen Pinsel, Tusche und den Reibstein packt er aus,

    yagate yatate o toriidashi やがて墨斗を取り出し

  • 86. and opened an envelope of incense. benutzt den Beutel-Umschlag seines Räucherwerks und schreibt darauf:

    kō no tsutsumi o oshihiraki 香の包を押し開き

  • 87. “On the 14th day of the 6th month in the 10th year of Tenshō (1582) „Im Jahre 10 von Tenshō (1582) hat im 6. Monat am 14. Tag

    Tenshō jūnen rokugatsu jūyokka 天正十年六月十四日

  • 88. I, AKECHI Samanosuke Mitsutoshi AKECHI Samanosuke Mitsutoshi

    AKECHI Samanosuke Mitsutoshi 明智左馬介光俊

  • 89. am the one who crossed the lake on this horse”, den Biwasee auf diesem Pferde überquert“.

    kono uma o motte kosui o wataru mono nari to この馬を以て湖水を渡る者也と

  • 90. he wrote in thick, strong strokes. Das hält er fest mit breitem, dickem Pinsel.

    fude futobuto to kakinokoshi 筆太々と書き遺し

  • 91. “Farewell,” he said, and started to leave. „Lebe wohl,“ sagt er und schickt sich an zu gehn.

    iza to bakari ni tachisareba いざとばかりに立去れば

  • 92. The horse, perhaps also ruing this parting, Das Pferd versteht, dass dies die Trennung ist

    uma mo nagori o oshimite ka 馬も名残を惜みてか

  • 93. nickered plaintively. und wiehert herzzerreißend.

    koe mo aware ni inanaku o 声も哀れに嘶くを

  • 94. Constantly looking behind, Mitsutoshi quietly Mehrmals wendet Mitsutoshi stumm sich um,

    mikaerigachi ni shizushizu to 見返り勝に静々と

  • 95. left for the castle of Sakamoto. bevor er sich zum Schloss Sakamoto begibt.

    Sakamotojō ni hikiageshi 坂本城に引揚げし

  • 96. What might stir in his heart? Was mag sich wohl in seinem Herze rühren?

    kokoro no uchi ya ika naran 心の中や如何ならん

  • 97. The pitiful bellflower (of AKECHI’s crest) has faded Traurig, dass die Glockenblume welkte (AKECHI‘s Wappen),

    aware kikyō no hana karete 哀れ桔梗の花枯れて

  • 98. and the era of (Hideyoshi’s) pawlownia blossom had begun doch die Zeit der Kiri-Blüte (Hideyoshi) musste kommen.

    gosan no kiri no yo to naredo 五三の桐の世となれど

  • 99. The horse Ōkage was presented to Hideyoshi Hideyoshi nannte Ōkage

    kono Ōkage wa Hideyoshi ni 此の大鹿毛は秀吉に

  • 100. and indeed, as Japan’s finest steed, das beste Pferd in Japan,

    Nippon ichi no meiba zo to 日本一の名馬ぞと

  • 101. Ōkage was held in high esteem. hielt es hoch in Ehren.

    ito chinchō ni mesaretari いと珍重に召されたり

  • 102. The name of his former master and his bravery Seines Meisters Heldenmut

    kyūshu no na sae buyū sae 旧主の名さへ武勇さへ

  • 103. will be praised through the ages as the flower of valor. wird tausend Jahre lang besungen.

    hana to tataete ikuchiyo mo 花と称へて幾千代も

  • 104. Today his eternal honor is Heute ist sein Ruhm noch immer ungemindert,

    kuchisenu homare ima no yo ni 朽ちせぬ誉今の世に

  • 105. even higher than Mount Hira. ist noch höher als der Berg Hira.

    Hira no yama yori nao takaku 比良の山より猶高く

  • 106. And in the sounds of the biwa of Lake Biwa Mit biwa-Klängen überm Biwasee – so wollen wir ihn loben:

    Biwa no mizuumi biwa no ne ni 琵琶の湖琵琶の音に

  • 107. this felicitous tale should be treasured forever Glück und Segen ohne Ende,

    todomete kataru koso medetakere 留めて語るこそ目出度けれ

  • 108. this felicitous tale should be treasured forever. Glück und Segen ohne Ende.

    todomete kataru koso medetakere 留めて語るこそ目出度けれ

Anmerkungen

6. Kaiser Jie… Kaiser Jie war der 17. Kaiser der legendären Xia-Dynastie (2070-1600 v. Chr.); er war bekannt für seine Korruption. Yao – auch ein Kaiser – war bekannt für seine herausragenden Leistungen und wurde später als Heiliger verehrt. Da angenommen wird, dass der historische Yao 2356-2255 v. Chr. (?) gelebt hat, ist das Sprichwort, das auf diesen beiden Persönlichkeiten basiert, historisch nicht stichhaltig. Seine Bedeutung ist jedoch sehr klar: Ein wahrhaft loyaler Mann, genau wie der Hund des Kaisers Jie, stellt niemals einen Befehl seines Lehensherrn in Frage und wird sogar einen rechtschaffenen Mann angreifen – oder “bellen”, wenn er dazu aufgefordert wird. 9. AKECHI Hyūganokami Mitsuhide… AKECHI Mitsuhide (? -1582), der den Ehrentitel Hyūganokami – „Herr der Hyūga-Provinz (Kyushu)“ – erhalten hatte, war ein ehemaliger General unter dem Kommando von ODA Nobunaga, dem ersten der “Drei Einiger Japans” während der sengoku-Zeit (Zeit der “Streitenden Reiche”) am Ende des 16. Jahrhunderts. Er griff seinen Lehnsherrn ODA Nobunaga im Tempel Honnōji (1582) an und war verantwortlich für dessen Tod. 10. Berg Tennō… Nach dem Angriff auf ODA Nobunaga im Honnōji-Tempel in Kyoto musste sich Mitsuhide in Yamazaki, einem Dorf am Berg Tennō, einige Kilometer westlich von Kyoto, der Armee von HASHIBA Hideyoshi, der ODA Nobunaga treu ergeben war, stellen. Hideyoshi befehligte 20.000 Soldaten, eine Streitmacht, die doppelt so groß war wie Mitsuhides Armee. Mitsuhide wurde besiegt und floh in Richtung seiner Burg von Sakamoto, wo er angeblich von einem Bauern in Ogurusu ermordet wurde. 14. Schloss von Azuchi… ODA Nobunaga hatte dieses Schloss an der Ostseite des Biwasees gebaut. Es war ein äußerst luxuriöser Palast, der wesentlich aufwändiger dekoriert war als andere Burgen seiner Zeit; es wurde 1582 niedergebrannt. 15. AKECHI Samanosuke Mitsutoshi… Mitsutoshi (? -1582), auch bekannt als Mitsuharu, war der Schwiegersohn von Mitsuhide. 18. Seta-Brücke… Die Seta-Brücke befindet sich am südlichen Ende des Biwasees, wo sich der See verengt und zum Seta-Fluss wird. Die Brücke war schon damals sehr alt und war jahrhundertelang die einzige Passage von Kyoto zum östlichen Teil des Biwa-Sees – es sei denn, man überquerte den See mit dem Schiff. 19. Das Feld von Awazu… Dieses Gebiet ist Teil der Stadt Ōtsu, nicht weit von Uchide no hama entfernt. 20. Uchide no hama… Dieser Bereich liegt näher am Seeufer. Wie Awazu, was auch “nicht treffen” bedeutet, kann Uchide no hama auch “der Ort eines machtvollen Sprungs (in den See)” bedeuten. Es gibt jedoch viele Orte in Japan, die Uchide no hama genannt werden, und die literarische Assoziation dieses Namens mit der Handlung der Ballade sollte nicht übermäßig gewichtet werden. 21. Die Unterkünfte von Ōtsu… Ōtsu war eine kleine bekannte Stadt mit Unterkünften für Pilger nach Ise; Es war auch eine wichtige Station auf der Tōkaidō-Straße. 23. HORI Kyūtarō Hidemasa… Hidemasa (1553-1590) war ein treuer Gefolgsmann von Nobunaga, der im Alter von 13 Jahren als Page in Nobunagas Dienst getreten war. Nach Nobunagas Tod folgte er Hideyoshi und war maßgeblich an Mitsuhides Niederlage in der Schlacht von Yamazaki beteiligt. Bis zum Schluss seiner Karriere, die durch Krankheit ein Ende fand, war er als Militär eine herausragende Persönlichkeit, die in zahlreichen Schlachten kämpfte. Er befehligte die Spezialtruppen, die die portugiesischen Arkebusen (Gewehre) benutzten. 40. See von Ōmi… See von Ōmi ist der heutige Biwasee. 44. Wie die „Eins“ geschrieben… Das chinesische Zeichen für „Eins“ ist ein kurzer horizontaler Strich. 51. KANŌ Eitoku … KANŌ Eitoku (1543-1590) gilt als der brillanteste Maler der frühen KANŌ-Schule, einer Institution, die den Mächtigen und Reichen jahrhundertelang die beste bildende Kunst bot. ODA Nobunaga gab Eitoku den Auftrag, zahlreiche Bildschirme und Schiebetüren zu malen, die das Schloss von Azuchi in einen prächtig dekorierten Palast verwandeln würden. Leider ist keines dieser Gemälde erhalten, und nur wenige Originalbeispiele von Eitokus Werken sind in Tempeln und anderen Palästen erhalten. 54. Berg Hiei… Auf der Westseite des Biwasees hat dieser Berg (Hieizan) eine beeindruckende Silhouette. Die bemerkenswerte Höhe dieses Berges – ungefähr 800 Meter über dem Biwasee – und die steilen Hänge bewirken die sprichwörtlich heftigen Winde und Stürme von seinem Gipfel. 66. Karasaki… Karasaki liegt ganz in der Nähe der Burg von Sakamoto, die früher dem AKECHI-Clan gehörte. Karasaki ist auch einer der „Acht Malerischen Orte“ der Region des Biwasees (Ōmi hakkei). Der Ort, der in Bildern als berühmte Landschaft mit malerischen Kiefergruppen dargestellt wird, ist eine geeignete Anlegestelle. 84. Jūō-Halle… Diese „Halle der zehn Könige“, eine Kultstätte für die Toten, war den zehn Höllengöttern gewidmet, denen der Unterweltgott Emma vorstand. Der Ort der Halle ist unbekannt. 95. Das Schloss von Sakamoto… Der ursprüngliche Ort des Schlosses ist im heutigen Dorf Sakamoto (das zur Stadt Ōtsu gehört). Bis auf eine Gedenktafel mit Informationen über die Stelle ist jedoch nichts von der Stätte übrig. 105. Berg Hira… Der Berg Hira ist ein weiterer imposanter Gipfel, der sogar höher als der Berg Hiei (s. Anm. zu Zeile 54.) an der Westseite des Biwasees liegt. Er ragt 1130 Meter über dem Biwaseee auf.

Musik Kommentar

Diese Ballade ist nicht bemerkenswert wegen brillanter instrumentaler Kunst, sondern eher wegen des speziellen und für den Spieler anspruchsvollen Auswahl-Konzepts der Zwischenspiele. Da es sich um eine farbige und bisweilen dramatische Samurai-Geschichte handelt, würde man zum Beispiel nach der Zeile 31, wo von heftigem Kampfgeschehen die Rede ist, eines der großen virtuosen Stücke erwarten, wie Chō no san oder Chō no yon; es wird aber nur Chō no ni verlangt. Eine solche Situation fordert den Spieler heraus, Mittel zu suchen, um auch mit diesem – in der strukturellen Anlage begrenzten – Zwischenspiel einen starken Eindruck zu machen. Der Grund, warum der Komponist dieses Zwischenspiel gewählt hat, könnte man darin sehen, dass er den Hauptakzent der Ballade weg vom Heroisch-dramatischen aufs Lyrisch-intime verlegen wollte.
Nach Zeile 39 und 41 werden zwei Zwischenspiele verlangt, die, wenn man sie gut ausführt, viel illustratives Potential haben – der Spieler muss mit seinem Instrument die Szene des Reiters nachzeichnen, wenn er mit dem Pferd in die Fluten des Biwasees springt und alle Verfolger in Erstaunen versetzt.

Ein erzählerischer und musikalischer Höhepunkt ist danach die Schilderung des Reiters im Biwasee. Der Erzähler nimmt einen entfernten Standpunkt ein, um auch die ganze Landschaft ins Auge fassen zu können. Dieser kunstvolle Perspektivenwechsel – gleichsam vom „Zoom“ zum „Weitwinkel“ – spiegelt sich musikalisch in der Betonung des Ariosen: Im Bereich von nur 20 Zeilen (Zeilen 48 bis 67) erscheinen drei verschiedene nagashi (3-zeilige arioso-Passagen) in kurzer Folge. Das ist außergewöhnlich, denn in den meisten Balladen haben nagashi die großformale Aufgabe, den ganzen Erzähltext mit sängerischen Einlagen zu strukturieren. Die Norm ist, dass, wenn in einer Ballade von 120 Zeilen drei nagashi vorkommen, das erste am Anfang, das zweite in der Mitte und das dritte gegen den Schluss hin erscheint.
Als der Reiter in Karasaki an Land geht und realisiert, dass das Ende der AKECHI gekommen ist, streichelt er liebevoll die Mähne seines großartigen Pferdes (Zeile 69), von dem er Abschied nehmen muss. Das ist der Moment, in welchem ein kurzes, aber hoch emotionelles Zwischenspiel Gogō gefordert wird. YAMAZAKI Kyokusui liebte dieses Instrumentalstück sehr und hatte ihre eigene Aufführungspraxis, die von dem Spielbuch leicht abweicht. Jeder gute Spieler weiß genau, wie wichtig dieses Zwischenspiel für die Gemütsstimmung am Ende der ganzen heroisch-tragischen Geschichte ist.
Ein letzter bemerkenswerter instrumentaler Höhepunkt ist das Zwischenspiel Kiku (Chrysantheme), (nach Zeile 75), das das höchste Register des Instruments fordert. Solch hohe fast ätherisch wirkende Klänge fordern viel Kraft vom Instrumentalisten. Kein Wunder, dass weibliche Spieler dieses Zwischenspiel oft durch ein anderes, leichter spielbares, ersetzen.