BIWA LIBRARY

adachigahara

安達ケ原

Einführung

Die Sage von einem Dämon, der in der Region von Adachigahara in Michinoku (heute in der Stadt Nihonmatsu in der Präfektur Fukushima) lebt, reicht in die Heian-Zeit (794-1185) zurück. In der Gedicht-Anthologie Shūiwakashū aus dem Jahr 1006 wie auch in den Tales of Yamato (Yamato monogatari) aus dem Jahre 951 gibt es Gedichte, die darauf Bezug nehmen. Auf diesen Quellen basierend entstand in der Muromachi-Zeit (1336-1573) das Noh-Stück Kurozuka. In der KANZE-Schule nannte man das Theater-Stück Adachigahara. Dieses Noh wiederum war die Basis für das jōruri-Stück Ōshū Adachigahara aus dem Jahre 1762. Die neueste Version im klassischen Theater mit diesem Stoff ist das Tanzstück Kurozuka von KIMURA Tomiko, 1939.
Der biwa-Text entstand auf der Grundlage des Noh-Texts – beide Fassungen haben mehrere Linien gemeinsam. Man könnte die biwa-Version als Pastiche bezeichnen, denn die Komponistin der Ballade, YAMAZAKI Kyokusui, verwendete noch andere Quellen und formte Textteile um. Deshalb entschied sie sich am Ende der Bearbeitungen, die Textautorschaft der Ballade als „anonym“ zu bezeichnen.

Zusammenfassung

Im späten Herbst bricht ein Priester namens Yūkei aus Wakayama zu einer Pilgerreise nach Michinoku (in Nordjapan,Tōhoku) auf. Nicht vertraut mit der Gegend, sucht er eines Abends verzweifelt eine Unterkunft und freut sich, als er unversehens in der Ferne ein Licht erblickt, das aus einer Hütte kommt. Er geht hin, klopft an die Türe und bittet um Unterkunft. Ein altes Weib erscheint, das sich entschuldigt, ihm kein komfortables Nachtlager in ihrer armseligen Bleibe anbieten zu können. Sie bittet ihn aber herein und setzt sich dann ans Spinnrad, wo sie sich in traurigen Liedern die gute alte Zeit zurückwünscht. Als die Nacht weiter fortschreitet, wird es sehr kalt, und da wendet sie sich plötzlich an Yūkei und sagt ihm, sie wolle jetzt in den Wald gehen und Holz suchen, um dann in der Hütte ein wärmendes Feuer zu machen. Beim Aufbrechen schärft sie aber dem Priester ein, dass er während ihrer Abwesenheit auf keinen Fall die Türe eines bestimmten Zimmers hinten in der Hütte öffnen dürfe. Als sie weggegangen ist, findet Yūkei diese Lage insgesamt sehr seltsam. Wie kann eine alte Frau in stockfinsterer Nacht unbegleitet in den Wald gehen wollen, und was hat es wohl mit jenem Zimmer auf sich…
Allein in der Hütte weilend, kann er seiner Neugierde nicht widerstehen und öffnet die verbotene Türe. Welch ein Schreck, dort häufen sich Gebeine und abgehackte Glieder, und es verbreitet sich ein fürchterlicher Gestank. Zutiefst erschrocken will Yūkei das Weite suchen, doch schon ist das alte Weib in Dämonengestalt wieder zurück und gebietet ihm Einhalt. Jetzt weiß Yūkei, dass er in die Fänge der berüchtigten Hexe vom „Schwarzen Hügel“ (Kurozuka) in Adachigahara gelangt ist.
Das Hexenweib ist wütend, dass Yūkei das Versprechen nicht gehalten hat und schlägt mit einem Eisenstab auf ihn ein. Yūkei kann sich nur mit Anrufungen der „Fünf Himmelsfürsten“ vor der Attacke retten. Das Dämonenweib, noch immer in schwarze Wolken gehüllt und von Blitzen beleuchtet, ermattet nun langsam und klagt über den Fluch, der auf ihr lastet, sich immer wieder in ein Monster verwandeln zu müssen. Mit Getöse verlässt sie den Ort für immer.

Text

  • 1. The linen robe of the wandering monk In grob gewobnem Reisekleid

    Tabi no koromo wa suzukake no 旅の衣は篠懸の

  • 2. the linen robe of the wandering monk, in grob gewobnem Reisekleid

    tabi no koromo wa suzukake no 旅の衣は篠懸の

  • 3. its sleeves heavy with dew. mit taugetränkten Ärmeln

    tsuyukeki sode ya shioruran 露けき袖やしおるらん

  • 4. An eminent priest from Nachi, sehen wir hier Priester Yūkei aus Nachi

    koko ni Nachi no ajari こゝに那智の阿闍梨

  • 5. Yūkei, a resident in the Tōkō quarters. vom Tempelviertel Tōkō.

    Tōkōbō no Yūkei wa 東光坊の祐慶は

  • 6. his heart filled with vows, Tief erfüllt von frommem Sehnen

    kokoro ni tatsuru gannarite 心に立つる願ありて

  • 7. was on a pilgrimage through the country, wandert er durch viele Länder,

    shokoku angya ni omomukan to 諸国行脚に赴かんと

  • 8. his route taking him to the Kii peninsula, auf dem Pfad von Kii

    wakeyuku sue wa Kinojigata 分け行く末は紀の路方

  • 9. and past Shiozaki Bay. entlang der Shiozaki Bucht.

    Shiozaki no ura sashisugite 潮崎の浦さしすぎて

  • 10. The days passed and he soon Yūkei war schon viele Tage auf der Pilgerreise,

    hi mo kasanareba hodo mo naku 日も重なれば程もなく

  • 11. arrived in Michinoku, als er in die Gegend von Michinoku,

    na ni nomi kikoeshi Michinoku no 名にのみ聞こへし陸奥の

  • 12. Adachigahara, a place he only knew by name. nach Adachigahara kam – ein Ort, der ihm vom Namen her bekannt war.

    Adachigahara ni tsukinikeri 安達が原に着きにけり

  • 13. It was late autumn, Ende Herbst war es geworden,

    toki shimo aki no suetsukata 時しも秋の末つ方

  • 14. a time when the gloom of evening arrives unexpectedly early. wenn am Abend allzu früh die Sonne untergeht.

    hi mo haya itsuka kurehatenu 日も早やいつか暮れはてぬ

  • 15. Just when he was at a loss, Yūkei war besorgt um eine Bleibe, als er unversehens

    kōji hatetaru orishimo are 困じ果てたる折しもあれ

  • 16. he saw the light of a distant fire. in der Ferne Licht erblickte.

    kanata ni miyuru hi no hikari 彼方に見ゆる火の光

  • 17. Filled with joy, Yūkei struggled along and finally arrived. Freudig ging er in die Richtung (bis er bald vor einer Hütte stand).

    Yūkei yorokobi tadoritsuki 祐慶喜びたどり着き

  • 18. “Please, I am an itinerant priest and have lost my way, „Ich bin ein Wanderpriester, der ein Dach sucht überm Kopf.

    ko wa yomichi ni mayoishi tabisō ni sōrō こは夜路に迷いし旅僧に候

  • 19. take pity and grant me one night’s lodging, Habt Mitleid, lasst mich eine Nacht hier unterkommen“,

    aware ichiya no yadori wo ba あわれ一夜の宿りをば

  • 20. I beg of you!“ he pleaded. bat er flehend.

    yurushi tamae to koikereba 許し給へと乞ひければ

  • 21. From within the hut a voice was heard, Aus dem Innern hört‘ er eine Stimme:

    iori no uchi yori koe arite 庵りの中より声ありて

  • 22. “In these fields, far from the houses of men, „Fern von jeder Menschen-Siedlung, weit im Felde draußen

    hitozato tōki kono nobe no 人里遠きこの野辺の

  • 23. I live in this hut so miserably rude, lebe ich in kümmerlicher Armut.

    ware dani mo uki are’io ni 我れだにも憂き荒庵に

  • 24. How could I possibly have you stay? Wie soll ich denn Euch empfangen…?

    ikade ka otome mōsarubeki いかでかお留め申さるべき

  • 25. Yet I am pained at the thought of turning you away. Allerdings Euch nicht hier aufzunehmen, schmerzt mich auch,

    towa iu monono omoeba oitawashiya とは云ふものゝ思へばお痛しや

  • 26. So be it, you are welcome to stay.” so seid denn halt mein Gast.“

    saraba ontome mōsan to さらば御留め申さんと

  • 27. The door opens, and beckoning Yūkei Ganz langsam ging die Türe auf,

    to o aketezo shōjikeru 戸を開けてぞ招じける

  • 28. is an old, humble woman. ein altes Weib trat auf die Schwelle.

    toshioitaru shizugame no 年老いたる賤が女の

  • 29. In the depths of the night, compassion spins In der Nacht umgarnt das Mitgefühl die Seele

    nasake mo fukaki yo mo sugara 情けも深き夜もすがら

  • 30. as do the threads in this room where mit den Fäden auf der Spule in der Spinnerstube,

    ito kuru neya no maai yori 糸くる閨のまあいより

  • 31. the misty moon glimmers. wenn der Mond verhangen blass ins Zimmer scheint.

    tsuki mo oboro ni sashiirite 月もおぼろにさし入りて

  • 32. “The Spinning Wheel turning with the Six Paths, “Ach wär‘ das Spinnrad doch das Rad mit den ‚Sechs Pfaden‘,

    Rokudōrinne no itoguruma 六道輪廻のいと車

  • 33. If only the past could return,” dass es mir die alten Zeiten wieder brächte“,

    mukashi o ima ni nasabaya to 昔を今になさばやと

  • 34. she sighed in her grief. lamentierte sie erbarmungswürdig.

    nageku sama koso aware nare 嘆く様こそ哀れなれ

  • 35. When night had deepened, Als die Stunde vorgerückt war,

    itsushika yoru mo fukeyukite いつしか夜も更けゆきて

  • 36. and the chill of the blowing wind sinks into the flesh, hub ein kalter Wind zu blasen an, und seine Kälte schnitt ins Fleisch.

    fuku kaze itodo mi ni zo shimu 吹く風いとゞ身にぞ泌む

  • 37. at this moment, the old woman turned and said, Da sprach die Alte:

    sono toki rōba no mōsu yō 其の時老婆の申すよう

  • 38. “Well, my honored priest, „Mein verehrter Gast,

    ikani kyakusō dono いかに客僧どの

  • 39. as the night has become so very cold, es ist gar kalt in dieser Nacht,

    amari yozamu ni gozarimasureba あまりに夜寒にござりますれば

  • 40. I shall go to the mountains and collect wood da muss ich jetzt im Wald

    yama ni noborite ki o torite 山に登りて木を取りて

  • 41. to build an open fire. doch Brennholz holen gehen;

    takibi o shite shinzemashō hodo ni 焚火をして進ぜませう程に

  • 42. Please wait for a while.” wartet hier ein Weilchen.“

    shibaraku onmachi kudasare to しばらく御待ち下されと

  • 43. Just as she was about to leave, Beim Verlassen, schärfte sie ihm ein:

    ideyukan to suru kiwa ni 出で行かんとする際に

  • 44. “But, honored priest, until my return, „Oh, ehrenwerter Mönch,

    moshi onsōsama warawa no kaeri kitaru made 若し御僧様妾の帰り来る迄

  • 45. under no circumstances are you to look into Ihr dürft auf keinen Fall, versprecht es mir,

    kono neya no uchi o ba この閨のうちをば

  • 46. this chamber here.” in jenes Zimmer schauen!”

    kanarazu goranze kudasaruna to 必ず御覧ぜ下さるなと

  • 47. And with these parting words, she left. Und mit diesen Worten brach sie auf.

    kotoba o nokoshite tachiizuru 言葉を残して立ち出る

  • 48. “But how strange! „Ist das nicht sonderbar,

    satemo fushigi ya na さても不思議やな

  • 49. for a woman, in the middle of the night dass eine Frau zu dieser späten Stunde noch

    nyonin no mi nite kono yofuke 女人の身にて此の夜更け

  • 50. to go alone into the mountains.” alleine in die Berge geht?“

    hitori de yama ni irishi to wa to 一人で山に入りしとはと

  • 51. Yūkei, with doubts in his heart, Dem Priester Yūkei war es nicht geheuer.

    fushin no kokoro ni Yūkei wa 不審の心に祐慶は

  • 52. despite his vow to not look, Hatte er ihr zwar versprochen, das Verbot zu achten,

    mimaji to chikaishi kotonagara 見まじと誓いし事乍ら

  • 53. stole a fleeting glimpse of her forbidden room, and when he did, wagt‘ er dennoch einen Blick in das geheime Zimmer.

    rōba no heya o ukagaeba 老婆の部屋をうかゞへば

  • 54. “What could these horrific things be! Ah – wie grauslich,

    ara osoroshiya ko wa ika ni あな恐ろしやこわ如何に

  • 55. Severed limbs and white bones nur Skelette, Beine, Schädelknochen

    shikotsu hakkotsu michimichite 死骨白骨満ち満ちて

  • 56. piled to the eaves, bis zur Decke aufgeschichtet,

    noki to hitoshiku tsumiokare 軒と等しく積みおかれ

  • 57. the stench of decay thick in the air. ein Gestank, ganz fürchterlich.

    atari ni shishū tadayoite あたりに死臭たゞよいて

  • 58. It was truly a terrible sight. Gar scheußlich war das, unbeschreiblich.

    geni suzamajiki arisama nari げに凄まじき有様なり

  • 59. Without a doubt, this was the rumored Dies ist also der verruchte

    korezo masashiku oto ni kiku これぞまさしく音に聞く

  • 60. “Black Hills” of Adachigahara „Schwarze Hügel“ von Adachigahara,

    Adachigahara no Kurozuka ni 安達ヶ原の黒塚に

  • 61. where a demon has secluded itself to live. wo ein Dämon wohnt!

    komoreru oni no sumika nare 籠れる鬼の住家なれ

  • 62. At a loss, his nerve vanished, Dem Priester Yūkei sank der Mut, er zitterte.

    kokoro mo madoi kimo o keshi 心もまどひ肝を消し

  • 63. he trusted only his legs, but as he fled So schnell ihn seine Füße trugen, wollte er entfliehen.

    ashi ni makasete nigeyukeba 足にまかせて逃げゆけば

  • 64. “Here! Priestly guest! „Heh, mein Gast,

    ikani kyakusō いかに客僧

  • 65. Stop!” bleibt stehn!

    tomare to koso 止まれとこそ

  • 66. Into this most secret of chambers, Ihr habt in diese Kammer, die für Euch verboten war,

    sashimo kakuseshi neya no uchi さしもかくせし閨の内

  • 67. You have looked, a most hateful thing to have done!” geguckt – wie niederträchtig seid Ihr doch!“

    nozoki mitaruka urameshiya to のぞき見たるか恨めしやと

  • 68. The fury in her angry voice was terrifying. beschimpfte sie ihn brüllend.

    ikareru koe no suzamajiku 怒れる声のすざまじく

  • 69. Lightening thundering around her, Blitze flammten,

    inazuma atari ni todorokeba 稲妻辺りに轟けば

  • 70. the sky darkened with clouds blown in the wind. Wolken fegten, Winde stürmten,

    sora kakikumori kaze fukite 空かき曇り風吹きて

  • 71. The demon, thinking to devour the priest in one bite, und mit ihrem Riesenrachen schnappt‘ sie nach dem Mönch,

    oni hitokuchi ni kuwan to te 鬼一口に食わんとて

  • 72. raised her iron staff and attacked. und schwenkte wie von Sinnen ihren Eisenprügel.

    tetsujō furiage osoikereba 鉄杖振りあげ襲いければ

  • 73. In desperation, Yūkei raised his voice in prayer, Yūkei hob die Stimme:

    Yūkei hisshi no koe hariage 祐慶必死の声はり上げ

  • 74. “Great Guardian God of the East „Großer Wächtergott im Osten

    tōbō ni Shōsanze Myōō 東方に障三世明王

  • 75. and Priest Kundali Yaksha to the South”, und im Süden Kundali Yaksha steht mir bei!“

    nanpō Gundari Yasha to 南方軍荼利夜叉と

  • 76. furiously rubbed his rosary, and to the sound of their rattling, verzweifelt rieb er seinen Rosenkranz

    juzu sarasara to oshimonde 珠数さらさらと押しもんで

  • 77. he invoked Itoku of the Five Kings of Light, und flehte Itoku, einen der Fünf Himmelsfürsten an,

    Godaimyōō no itoku ni kake 五大明王の威徳にかけ

  • 78. and continued his ceaseless attack with his humble prayers. denn nur Gebete waren seine Waffen.

    semetsuke semetsuke inori fuseba 責め付け責め付け祈り伏せば

  • 79. The hag, crazed with rage, Aber diese taten ihre Wirkung, denn das wilde Hexenweib

    sashimo funnu ni kuruitaru さしも憤怒に狂いたる

  • 80. suddenly weakened. erlahmte mit der Zeit.

    kijo mo tachimachi yowari hate 鬼女も忽ち弱り果て

  • 81. “What shame to be seen like this!” „Ach, was für eine Schande ist doch meine Existenz“,

    ana hazukashi no wa ga sugata to あな恥かしの我が姿と

  • 82. The agony in her wails ever so horrible, beklagte sie ihr Schicksal, um gleich wieder aufzuschreien

    iu koe nao mo suzamajiku いふ声なをも凄まじく

  • 83. faded into the howl of the night storm, in dem Lärm der Sturmesnacht,

    yoarashi no oto ni tachimagire 夜嵐の音に立ちまぎれ

  • 84. as she finally vanished. in der sie bald verschwand,

    sugata wa tsuini usenikeri 姿は終いに失せにけり

Anmerkungen

1.-3. Die ersten drei Zeilen sind ein Zitat aus dem Noh-Text von Kurozuka; Sie sind identisch mit den ersten drei Zeilen des Noh-Stücks Ataka. 4, Nachi… befindet sich auf der Kii-Halbinsel (Präfektur Wakayama, Higashi Murogun Nachi Katsuurachō), bezieht sich hier jedoch tatsächlich auf den Nachi-Schrein, einen der drei berühmten Kumano-Schreine.. 9. Shiozaki Bucht… Diese Bucht befindet sich in der Präfektur Wakayama, in Higashimurogun Kushimotochō. 11. Michinoku… Tōhoku (Nordjapan, heutige Präfekturen von Fukushima, Miyagi, Iwate und Aomori). 12. Adachigahara… Diese Region gehört zur Stadt Nihonmatsu in der Präfektur Fukushima. 32. Das Rad mit den Sechs Pfaden… Dieser buddhistische Begriff bezieht sich auf das Rad der sechs Bereiche (oder Welten) der Existenz. Diese sechs Welten sind: 1. Die Welt der Götter, 2. Die Welt der kämpfenden Dämonen, 3. Die Welt der Menschen, 4. Die Welt der Tiere, 5. Die Welt der hungrigen Geister, 6. Die Welt der Hölle. 74. Großer Wächtergott im Osten… auf Japanisch heißt er Shōsanze Myōō (Trailokyavijaya). Er beseitigt die drei seelisch-geistigen Laster der Menschheit: die Gier, die Wut, und die Dummheit zu sagen, was nicht gesagt zu werden wert ist, – in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. 75. Kundali Yaksha … Er ist der große Wächtergott des Südens, der die Menschen vor Feinden aus der anderen Welt wie Kriegsgöttern und Dämonen schützt. Die Schlangen um seine Arme symbolisieren seine Entschlossenheit, seine Mission zu erfüllen. Der östliche Wächtergott (Zeile 74) und dieser südliche Wächtergott sind wichtige Gottheiten, die in Gebeten der yamabushi (Bergasketen) angerufen werden. 77. Fünf Himmelsfürsten… auf Japanisch: Godai Myōō Itoku. Diese Himmelsfürsten sind zunächst die beiden oben genannten Schutzgötter des Ostens und des Südens. Der Gott des Westens ist Daiitoku Myōō (Itoku) – der in dieser Zeile erwähnt wird -, der Gott des Nordens ist Kongō Yasha, und der Gott des Zentrums ist Fudō Myōō. Letzterer ist die wichtigste Gottheit für yamabushi.

Musik Kommentar

OKUMURA Kyokusui, gab diese Komposition ihrer damaligen Lehrerin YAMAZAKI Kyokusui 1998 in Auftrag. In dieser Komposition stehen verschiedene musikalische Aspekte in einem Bezug zu den spezifischen Fähigkeiten und Vorlieben von Frau OKUMURA, die nun ebenfalls ein „Living National Treasure“ ist.Bevor OKUMURA Kyokusui in die biwa-Welt eintrat, war sie eine professionelle koto-Spielerin und auch eine Sängerin von kouta, einem Kammermusik-Genre, das mit der Teehaus-Kultur der Edozeit (1603-1867) verbunden ist. Die Ballade macht Anleihen bei verschiedenen Musikstilen; so lehnt der Beginn stark an die Musik des Noh-Theaters an. Die ersten Schläge des Vorspiels auf der tiefen ersten Saite des biwa erinnern an Schläge auf der Schultertrommel kozutsumi, und die ersten gesungenen Zeilen assoziieren Noh-Gesang.
Der Dialog ab Linie 18 muss in gehobener Bühnensprache, deklamiert werden. Die anspruchsvollste Gesangsstelle, im Stil des kouta, findet sich aber in den Zeilen 29-36, einem ariosen Stil, der stark von der üblichen Melodieführung des biwa-Gesangs abweicht.

OKUMURA Kyokusui wurde berühmt für ihre Wiedergabe der Linien 38-42, wenn das alte Weib vorgibt, in den Wald zu gehen: Der Gesang wechselt hier allmählich von der Stimme einer zerbrechlichen alten Frau zu jener eines beängstigenden Dämons.
Der Höhepunkt der Ballade ist zweifellos die Stelle, wo der Priester die verbotene Türe öffnet und all die Gebeine gefressener Menschen erblickt. Für die instrumentale Illustration seines Fluchtversuchs setzte YAMAZAKI Kyokusui (Linie 63) eine Technik ein, die sonst nie im Tachibanakai-Stil verwendet wird: Der Spieler legt einen Finger auf die Melodie-Saite, weit unter dem höchsten Bund (eine Oktave entfernt, d.h. auf etwa halber Höhe der Resonanzdecke des biwa) und bewegt den Finger in acht intensiv geschlagenen Tonschritten auf den obersten Bund zu. Gut realisiert, hat diese einzigartige Spielweise einen großen Effekt.
Das Stück endet mit einer Imitation von buddhistischem Gesang, shōmyō, wenn der Priester die „Fünf Himmelsfürsten“ anruft, um sich gegen den Dämon zu wehren.